Montag, 23. Juni 2014

Nicht nur des FCB, sondern auch der Identität wegen - das Ende der Sharks und die Auswirkungen für die NLB

Als Sport-, Eishockey und NLB-Begeisterter war die Nachricht heute Morgen ein Schock. Von der einen auf der anderen Sekunde war ich hellwach und fühlte mich in einem Albtraum. Die Realität hatte mich schnell wieder. Es ist schliesslich grundsätzlich nicht überraschend, dass die EHC Basel Sharks ihren Rückzug aus der NLB bekannt gaben. Einzig der Zeitpunkt war unvorhersehbar. Es ist auch klar: jetzt kommen alle Möchtegern-Experten aus ihren Löchern gekrochen, die superschlauen Chronisten (oder zumindest einer) lassen ihre Kommentare los und wissen was alles schief gelaufen ist. Als einer der zumindest behaupten darf, die NLB-Szenerie ein wenig zu kennen, sieht aber Probleme, die das tragische Scheitern des Basler Eishockey erklären und das gesamte NL-Hockey verändern könnten.

Die Sharks, wie sie seit 2009 heissen, haben seit Jahren und seit ihren glorreichen Zeiten in den 40-er und 50-er Jahren Probleme, das Spitzenhockey in der Region Basel (wieder) zu verankern versucht. Die Hauptschuld wird dem FCB in die Schuhe geschoben, dass dies nicht funktionierte. Die Leute seien nur Fussball-, aber nicht Hockeyinteressiert. Die Argumentation greift zu kurz. Auch der FCB hatte kurz vor der Jahrtausendwende ums (sportliche) Überleben zu kämpfen. Um die Jahrtausendwende begann allerdings der Aufbau, der in der heutigen Dominanz gipfelt. Das Eishockey konnte da nicht nachziehen, beziehungsweise war damals ebenfalls in einer (dauerhaften) Schaffenskrise. Der Fussball war schneller, konnte diese Lücke schliessen. Ausserdem versuchte sich das Eishockey immer wieder neu zu erfinden, was zu einer Identintätskrise führte und ein Mitgrund für den Untergang des Basler Eishockeys ist. Vor ein paar Wochen sprach ich noch mit einem ehemaligen Präsidenten des EHC Kleinhünigen über das Eishockey. Damals als Ende der 80-er Jahre der EHC Basel bankrott war und nur dank Donatoren gerettet werden konnte. Damals als der EHC Basel die Nähe zum EHC Kleinhünigen suchte. Der besagte ehemalige Präsident war ein Befürworter einer Fusion von Kleinhünigen und Basel. Er sah, dass zwei Vereine nebeneinander nicht bestehen können, bzw. nur mit einem gemeinsamen Weg, auch der sportliche Erfolg zurückkehren kann. Das war allerdings nicht zur Freude aller Anhänger von Kleinhünigen. Der Verein hiess zwar "EHC Basel Kleinhünigen Dragons", doch war schnell klar, dass das "grosse" Basel dem Anhängsel Kleinhünigen nicht wirklich Beachtung schenken wollte. Die Kleinhünigen-Anhänger befürchteten dies und deshalb habe dieser ehemalige Präsident einige negative Feedbacks erhalten - anscheinend bis heute. Durch das arrogante Verhalten ging ein Teil der Fangemeinschaft verloren. Als im Jahre 2000 die Basler in die NLB zurückkehrten, hatten sie noch einen vergleichsweise grossen, harten Kern. Ich mag mich gut erinnern, wie die Basler regelmässig für Stimmung im Kleinholz in Olten gesorgt haben. Es ging aufwärts, bis in die NLA - die Zuschauerzahlen waren nicht berauschend, aber akzeptabel. Dann im 2009, nach dem letzten NLA-Abstieg, wieder ein Neuanfang und damit das Einläuten des definitiven Ende. Von nun an sollen die Basler "Sharks" heissen. Kleinhünigen ist längst vergessen, die letzte Identifikation wird jetzt auch noch aufgegeben. Der harte Kern wendet sich ab, die Stimmung im Stadion gleicht Beerdigungen, die letzten Mohikaner versuchen zwar alles, Begeisterung und Identifikation sieht aber anders aus.

Überheblichkeit und Ignoranz
Nicht nur die Identifikation fehlt fortan, auch eine realistische Strategie. Zuerst "futterte" man CEO Beat Kaufmann weiterhin durch, hinterfragte die administrativen Strukturen zu wenig. Schliesslich war der letzte Verwaltungsratspräsident der Basler auch schlichtweg zu unerfahren. Aber gerade er gehört ebenfalls zu den Totengräbern, auch wenn er die Schuld hauptsächlich allen anderen gibt. Klar, die Unterstützung fehlte, er hat sein ganzes Herzblut in den Verein gesteckt, das kann seine Fehler nicht kaschieren. Ich habe keinen Einblick in den Arbeitsalltag, keinen Einblick in die Bücher der Sharks, aber die Kommunikation einer Person nach aussen, verrät doch einiges über ihr Denken und Verhalten. Vor zwei Jahren wurde grossklotzig bekannt gegeben, dass die Sharks endlich einen Schritt nach vorne machen müssen und die Halbfinals zu erreichen hätten. Und dies obwohl seit insgesamt 12 Playoff-Partien kein einziger Sieg mehr gelungen ist. Das sollte mit der komischen Taktik realisiert werden, eine Juniorenlinie ins Team einzubauen und gleichzeitig ganz vorne in der NLB mitspielen zu wollen. Beides geht nicht, entweder oder, aber das wollte Verwaltungsratspräsident Matthias Preiswerk nicht einsehen. Es folgte der blanke Horror - sportlich und kommunikativ. Matthias Preiswerk war dermassen persönlich beleidigt ob dem sportlichen Abschneiden, dass er noch vor dem definitiven Scheitern um einen Playoffplatz, entschied, das Sonntagsgeschirr zu verscherbeln. Dies weil die Mannschaft enttäuscht habe und so die Playoff-Qualifikation ohnehin nicht verdient hätte. So könne das Defizit in Grenzen gehalten werden. Ein freiwilliger Verzicht auf die Playoffs also. Was finanziell sinnvoll gewesen sein mag, war imagetechnisch und kommunikativ verheerend. Wie sollte so der Goodwill bei den Fans gesteigert werden? Die Zielausgabe wurde auf letzte Saison hin nach unten korrigiert, mit der Androhung, dass noch einmal eine solche Horror-Saison nicht passieren dürfe, sonst müsse man sich das Projekt Basel Sharks ernsthaft überdenken. Es wurde eine durchzogene Saison. Es resultierte ein Sieg in den Playoffs. Es war ein Treten an Ort und Stelle. Die Verwaltungsräte mussten weiterhin Geld einschiessen. Der letzte Rettungsanker wäre gewesen, die Eishalle übernehmen zu können bzw. selber bewirtschaften zu können. Dies scheiterte laut Preiswerk aber anscheinend auf politischer Ebene. Zumindest die Stadt Basel war nicht bereit, dass die Sharks selber über die Nutzung der Eishalle bestimmen können. Es ist aber klar, dass es für einen Hockeyverein heutzutage unabdingbar ist, sich über Catering etc. finanzieren zu müssen, um überleben zu können. Ohne diesen letzten Rettungsanker sah sich der Verwaltungsrat gezwungen, das Schiff sinken zu lassen. Der letzte Zahn des Hais war gezogen. Ob mit der Übernahme der Bewirtschaftung der Eishalle, wirklich alles rosiger gewesen wäre, darf bezweifelt werden. Möglicherweise wäre der kranke Patient einfach länger im Koma gehalten worden.

Die Folgen fürs Eishockey und die NLB
Morges, Chur, Martigny, Neuenburg, Sierre und jetzt Basel. Das sind die sechs Vereine, die seit 2007 bankrott anmeldeten oder sich aus finanziellen Gründen aus der NLB zurückzogen. Das ist vergleichsweise viel, für eine Liga, die sportlich enorme Fortschritte gemacht hat. Da negative Meldungen höher gewichtet werden, als positive, wird die NLB daher das Image der Pleiten- und Witzliga nicht los. Obwohl jede und jeder, der ein paar Spiele in der NLB angeschaut hat weiss, dass das sportliche Niveau erstaunlich hoch ist. Das administrative hingegen krankt. Dank Teleclub ist die mediale Präsenz ein wenig gestiegen, der Schweizer Cup wird da ebenfalls mithelfen. Trotzdem ist die Lukrativität für Sponsoren in der NLB weiterhin gering. Kommt hinzu, dass die Basler wie diverse andere Vereine in der Vergangenheiten glaubten, dass mit Investitionen in die Mannschaft und dem allfälligen Erfolg, das Geld von allein fliesst, die Zuschauer in Scharen kommen würden. Sport ist nicht planbar, daher ist es tödlich, mehr auszugeben, als vorhanden ist. Das habe ich bereits als junge Nichtsnutz in meiner halbwissenschaftlichen Maturaarbeit 2007 festgestellt: überhöhte Investitionen und Topspieler garantieren keinen Zuschauerzuspruch oder sportlichen Erfolg. Leider gibt es immer wieder Vereinsverantwortliche, die von der Quadratur des Kreises überzeugt sind. Neun NLB-Teams, das ist sehr wenig. Zwei Zehnerligen wären sinnvoll. Zwei durchlässige Zehnerligen. Dagegen werden sich die NLA-Vereine allerdings sträuben. Die Wahrscheinlichkeit einer geschlossenen Liga ist grösser, auch wenn sportlich betrachtet problematisch und nicht unbedingt erfolgsversprechender (die Beispiele Finnland und Deutschland haben dies unlängst gezeigt).

Wer die NLB betrachtet und mit ihr die Entwicklung der letzten Jahre, wäre nicht überrascht, wenn die Basler nicht der letzte Verein wären, der sich aus der NLB unfreiwillig verabschieden würde. In Thurgau versucht man zwar etwas solides aufzubauen, mit gesunden Finanzen. Profitabel ist das Hockey aber nicht. Unlängst wurde moniert, dass mit diesen Zuschauerzahlen die Heimspiele Kosten, anstatt Gewinne verursachen. Ob das langfristig funktionieren kann ist fraglich. Ausserdem ist man auf den Goodwill der Investoren angewiesen. Bei Red Ice kündeten die russischen Investoren an, nicht mehr so viel Geld in den Verein investieren zu wollen. Die besten Spieler haben Martigny bereits verlassen. Es würde nicht überraschen, wenn die Unterwalliser in absehbarer Zeit einmal mehr in die Amateurligen verschwinden würden. Der HC Ajoie hält sich zwar wacker in der NLB, aber anscheinend profitieren sie vor allem vom Geld aus der Tabakindustrie. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten ganz hinten im Jura sind beschränkt, sollte dieses Geld einmal nicht mehr fliessen. Trotzdem: der HC Ajoie verhält sich unauffällig und spielt mit den vorhandenen Mitteln seit Jahren erstaunlich erfolgreich in der NLB mit. Die GCK Lions im Weiteren spielen in Anbetracht über Sein- und Nichtsein der NLB keine Rolle. Sie sind von den ZSC Lions quersubventioniert, haben ausserdem keine sportlichen Ambitionen und sind somit kein Pfeiler der NLB. Sportlich betrachtet gibt es daher zur Zeit fünf Mannschaften die, die NLB tragen. Wobei auch beim HC La Chaux-de-Fonds die finanzielle Situation nicht ganz klar ist. Auch die Neuenburger hatten bereits zu kämpfen. Im Moment scheinen sie aber gesund zu sein. Dasselbe gilt für Langenthal. Zwar gab es zuletzt stets Defizite, doch man scheint auf gutem Wege zu sein, diese strukturellen Probleme zu beheben. Auch dank grosszügigen Göttis. Der Vorteil: man ist nicht nur auf einen einzigen angewiesen. Langnau könnte mit dem vorhandenen Finanzpotential noch immer in der NLA mitspielen. Die Probleme liegen dort eher im amdinistrativen Bereich. Visp schreibt seit ein paar Jahren schwarze Zahlen, kommt noch ein neues Stadion, werden die Visper (auch ohne Namensänderung) zu so etwas wie dem EHC Wallis. Hier wissen die Investoren, in was sie ihr Geld stecken. Und zu guter letzt noch Olten, das seit seinem Beinahkollaps im 2004 auf einer soliden Basis einen erfolgreichen NLB-Verein aufgebaut hat, mit einem wirtschaftlich pontenten Umfeld (auch wenn die Stadt selbst finanziell marode ist).

Bereits nach den Konkursen der anderen NLB-Vereine seit 2007 befürchteten einige, eine Veränderung der NLB. Bis heute ist wenig passiert. Im Gegenteil, sportlich attraktiver, das Ansehen ist eher noch höher. Die Finanzprobleme von Vereinen im regelmässigen Abstand, helfen allerdings nicht, das Image zu verbessern. Ausserdem gehen der Nationalliga langsam die Verein aus. Vor Jahre träumten ein paar Verblendete noch von einer 16-er NLB. Heute darf man froh sein, wenn die NLB in dieser Form noch eine Daseinsberechtigung hat. Für einen gesunden Sport müsste sie. Aber wie bereits erwähnt nur mit zwei 10-er Ligen. Denn für mehr ist das Potential in der Schweiz einfach nicht vorhanden. Dass dies auch die Mehrheit der Nationalliga so sieht, scheint im Moment unwahrscheinlich. Viel mehr sehen sie sich wohl im Konkurs der Sharks bestätigt, dass nur eine geschlossene NLA das Hockey gesund halten könne. Ohne dabei auf die genauen Gründe des Scheiterns des Baslers Eishockeys einzugehen.

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